Biografie
„Ich möchte wohl ein Baum sein, schon, weil manchmal ein Vogel kommt und in meinen Zweigen singt.“
Else Lasker-Schüler
Geboren am 11. Februar 1869 in Elberfeld (Wuppertal)
Gestorben am 22. Januar 1945 in Jerusalem
„Wissen Sie, wie man das jüdisch-arabische Problem lösen kann? Es gibt nur einen Weg:
Freude schaffen. Wir gründen einen Rummelplatz für Juden und Araber, den beide Völker
besuchen werden und wo sie gemeinsam Reibepfannkuchen essen, Karussell fahren und Glückshafen spielen.“
Else Lasker-Schüler, 1937
Die in Elberfeld geborene Schriftstellerin und Künstlerin Else Lasker-Schüler war in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Bezeichnend ist zum einen die Verbindung zwischen ihrem schriftstellerischen Werk und ihrem Leben, denn beide sind von fantasievollen Welten geprägt, die sie schuf und in die sich träumte. So lebte die von ihr geschaffene Figur des Prinz Jussuf von Theben nicht nur in ihren Geschichten, sondern wurde durch sie selbst lebendig, wenn sie verkleidet durch das Berlin der 1910er und 1920er Jahre lief. Mit „Jussuf von Theben“ setzte sie darüber hinaus ein bewusstes Zeichen für die jüdisch-arabische Verständigung und unterlief Hetze und Hass gegen Andersdenkende und Andersgläubige.
„Ihr habt das von Gott Euch anvertraute Abendland nicht liebevoll genug gepflegt. Wie sonst wäre aus seiner schattigen Eiche eine kühle Formel geworden.“
Else Lasker-Schüler
Als moderne und emanzipierte Frau rebellierte sie zum anderen gegen die Normen und Konventionen des klassischen Rollenbildes von Mann und Frau und setzte sich für die Abschaffung
des §218 ein. Ihre Auseinandersetzung mit Umweltfragen, bei der sie sich auf die modernste Forschung ihrer Zeit bezog, fand Einzug in viele ihrer Texte, die heute als visionäre Warnungen vor dem Klimawandel und der Zerstörung des Lebens gelesen werden können.
Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 wurde sie auf der Straße von einer SA-Truppe angegriffen. Die 64-jährige Lasker-Schüler musste aus Deutschland fliehen. Sie ging in die Schweiz, wo sie über sechs Jahre nur geduldet wurde, so dass sie mit Aufenthaltsgenehmigungen,
Arbeitsverbot und finanzieller Not zu kämpfen hatte. Nach einer Palästinareise 1939 wurde ihr die Rückkehr nach Europa verweigert. Bis zu ihrem Tod 1945 lebte sie in Jerusalem, wo sie intensiv am kulturellen Leben teilnahm. Das Land blieb ihr jedoch bis zum Schluss fremd.
Ich kam vom Meer. Als die Bäume mich wiedersahen, hob ein weiches Wehen in der Luft ihre Zweige, mich zu grüßen. […] Sich zu äußern, bedient die Pflanze sich der Atmosphäre; ja, sie entwickelt selbst […] ein Wehen oder ein Stürmen, Blitzen und Donnern in der Natur. […]
Die glühenden Stürme, wie sie die Wüste erlebt, verursachen die … starken Urleidenschaften der gottalten Asienbäume des Morgenlandes. Aber auch der Melancholie spätes Säuseln entweht der Palme lässigem Fächeln. Und wisse, wenn du dich unter die Weide legst, ihre langen laubbehaarten Äste singen mit den Lüften der Ferne das Lied der bangen Sehnsucht. Reize nicht den träumenden Wacholderbaum oder den Vogelbeerenstrauch. Schone die Nester der Vögel in ihren gastlichen, kühlen Armen.
Denn jedes Vogelei beträumen die Bäume; Und ihr Blüte entzwitschert dem Keime.
Zuguterletzt bitte ich dich von Herzen, die von mir so bewunderte Kiefernadeltanne nicht zu beleidigen, sie, die Indianerin aller Bäume! Die Gottheit selbst tauchte ihr gefiedertes Kleid in Waldsmaragd. […]
Kein wirklicher Sommer, kein richtiger Winter kommt mehr zustande in den Ländern der Feindseligkeiten. Wälder wurden geopfert wie ein Haupt, aber es schrie zum Himmel. […] Die heiße Auseinandersetzung im Pflanzenreich beweist uns die kranke Glut der Tage im Verflossenen Sommer, der uns keineswegs vergoldete [...], aber in dessen Fieber wir verdorrten zum neuen Tode. Und die wenig wiederum gleichen sich die Winter mit den Wintern der Schneemänner, über deren Rücken wir von der Schule nach Hause zu schlittern pflegten.
Es sind die Folgen der gleichgültigen Haltung, die namentlich die Bäume, die entlaubten, gegenüber der unversöhnlichen Welt einzunehmen sich gewöhnten. Und wie sie ihren Winterhermelin geliebt haben! Die ersten Schneesterne schüttelten sich geschickte Äste selbst vom grauen Busch der Winterwolke.
So haben wir es uns also mit der Natur verdorben, mit dem grünmunteren Laubvolk, das uns den Ozon und den Atem des Lebens kredenzte. Die Unberechenbarkeit vom Allzuheiß bis zum Allzukalt ist die Folge der Klage der aus den Fugen geratenen Pflanzenwelt. Wir haben sie tödlich verwirrt und getroffen. Denn die Natur ist nicht der Menschen Schemel, den sie rücken oder gar durchsägen können nach Belieben.
Der Mond verzauberte einmal meine Zweige; ich träumte früh am Morgen, ich sei ein Baum. Und begreife, warum heute die nie Böses ahnenden Blumen ihre Gesichter zur Seite […] legen oder die junge Eiche ihr grünlockiges Haupt neigt. Dann verdursten wir an der Lauheit der Lüfte, und unsere Herzen werden alt und ersticken. […]
Else Lasker-Schüler, Konzert, Berlin 1932 im Verlag Paul Cassirer.
Über dieses Buch schrieb damals der Verlag bei seiner Neuankündigung im Klappentext: „Die Dichterin [...] verkündet hier in vielerlei Prosa, Versen und Spielformen zwischen Vers und Prosa ihre Gotteskindschaft und ist immer ′im himmlischen Bilde′. Sie belauscht Bäume unter sich und verständigt sich mit ihnen in der ′grünen Sprache′, der Blutkreislauf der Pflanzen ist ihr vertraut, Schmetterling und Hund sind ihr so befreundet wie Gefährten im Café [...]“.
Veranstaltungen:
Sonntag / 5. Mai // 11 Uhr
Erinnern an die Zukunft – Eröffnung des Festivals
CityKirche
Samstag / 25. Mai // ab 12 Uhr
Wuppertaler Töchter: Else-Helene-Fest
Laurentiusplatz
Literatur (Auswahl):
Else Lasker-Schüler: Gesammelte Werke in vier Bänden. Lyrik, Prosa, Schauspiele. Frankfurt 2001.
Else Lasker-Schüler: Werke und Briefe. Kritische Ausgabe. Frankfurt.
Siegrid Bauschinger (Hrsg.): Else Lasker-Schüler. Biographie, Frankfurt 2006.
Ricarda Dick (Hrsg.): Else Lasker-Schüler. Die Bilder. Berlin 2010.
Ulrich Klan: Über politische Utopien bei Else Lasker–Schüler. In: Cepl–Kaufmann, Krumeich,